Das alljährliche Transferfenster
stopft das Sommerloch im Fussball für die Medien und die Fans.
Während kein Fussball gespielt wird und die Vereine, mehr oder
weniger, hinter verschlossenen Türen an einem neuen Kader feilen,
ist die Gerüchteküche in vollem Gang und die Foren, Blogs und
Fansites sind ein Austauschplatz für die verschiedensten Meinungen.
Der riesige Apparat der Fussballindustrie verwandelt sich nachdem der
letzte Ball gekickt wurde in ein merkwürdiges Perpetuum Mobile, das
bis Ende des Transferfensters nicht aufzuhalten ist. Agenten, Clubs,
Spieler selber und Familienangehörige spekulieren und streuen
Gerüchte über Wechsel nur um eine Gehaltserhöhung, ein neuer
Vertrag oder einen Transfer zu erwirken und die Medienlandschaft und
die Fans spielen mit.
Immer öfters hört man seit einigen
Jahren, dass Geld den Fussball regiert und keine Loyalität zum
Verein mehr zu sehen ist. Doch war früher alles anders? War Fussball
nicht schon immer ein Business in dem es vor allem um Geld ging? Und
ist es in der „normalen“ Welt in der wir Leben nicht auch genau
gleich?
Es ist wahr, dass in den letzten Jahren
der Trend zur Aussage: „Ich will in der Champions League spielen.“
gestiegen ist. Die Zeiten sind vorbei in denen man versuchte die
Ziele mit einem zusammengestellten Team zu erreichen. Die Spieler
versuchen mit einer handvoll guten Spiele auf sich aufmerksam zu
machen, damit sie sich einen Transfer zu einem Champions League
Verein verdienen können. Die Zyniker unter den Fans sind sich einig.
Der Spieler wechselt nur um mehr Geld zu verdienen, der Erfolg spielt
generell die zweite Geige. Heutzutage ist es einfacher für einen
Spieler zu einem starken Verein zu wechseln, als mit einem Underdog
sich für die Champions League zu qualifizieren. Speziell in England
brauchte es einen reichen Scheich und einen Oligarchen aus Russland
um die Hierarchie der Top Four zu brechen.
Das Internet ist voll von aufgebrachten
Anhängern diverser Vereine, die die Loyalität der heutigen
Profifussballer kritisieren. Es ist schwierig zu sagen, ob die Modernisierung und das viele Geld den Wandel gebracht haben oder ob
man die globalisierte Welt, in der das Streben nach Reichtum der
wichtigste Bestandteil für ein glückliches Leben ist, dafür
verantwortlich machen kann.
Es gibt unter den Spieler wenige
Ausnahmen, One Club Legenden wie Steven Gerrard, Ryan Giggs, Paul
Scholes, Francesco Totti, Gary Neville, Carragher und früher Spieler
wie Pélé, Paolo Maldini, Tony Adams und Matt Le Tissier. Spieler
die trotz Rückschlägen, nicht sofort den Club wechselten, sondern
dem lokalen Verein treu bleiben. Diese Spieler gehören unbestritten
in die Geschichtsbücher und werden innerhalb ihres Vereins wie
Götter verehrt. Die Meinung der Zuschauer ist grundsätzlich, dass
früher die Spieler loyaler waren, jedoch hat sich die Gestalt des
Fussballs geändert und andere Werte bestimmen heute das Geschehen.
Es gibt genug Beispiele für Spieler im modernen Fussball, für die
Loyalität eine wichtige Rolle spielt, Beispiel Stefan El Shaarawy,
aber es ist wichtig hier anzumerken, dass solche Spieler schon seit
jeher eine Ausnahme und nicht die Norm waren. Grundsätzlich hängt
es von den persönlichen Wertevorstellungen aller Spieler ab, wie sie
sich entscheiden.
Aber auch Gegenteilig gibt es genug
Beispiele. Spieler die gerne beim Verein geblieben wären, jedoch
aufgrund von zu hohen Löhnen oder spielerischen Mängeln abgeschoben
und gegen ihren Willen verkauft wurden. Zum Beispiel ein Stewart
Downing oder Andy Carroll, die gerne bei Liverpool geblieben wären
um sich zu beweisen, jedoch verkauft wurden. Oder ein Dimitar
Berbatov, der teuerste Spieler den Manchester United bis zu diesem
Zeitpunkt gekauft hat und dann nach ein paar Saisons, die er vor
allem auf der Bank verbracht hat, an Fulham verkauft wurde, obwohl er
einer der Top Scorer der Mannschaft war. Alessandro Del Piero ist
eine der grössten Legenden bei Juventus, ging mit der alten Dame bis
in die zweite Liga und trotzdem wurde er plötzlich als Überflüssig
angesehen und abgeschoben als er älter wurde. Solche weitere
zahllose Fälle gibt es und diese werden oft durch die Fans
vergessen, wenn sie wieder proklamieren, dass ein Spieler einem
Verein etwas schuldet.
Letzten Sommer und diesen Sommer haben
vor allem Robin Van Persie, Luis Suarez und Gareth Bale für
Gesprächsstoff mit ihren Transfers gesorgt. Van Persie wollte seinen
Vertrag bei dem Verein nicht verlängern, der ihm die Chance gab in
eine grosse Liga zu wechseln und trotz seiner grossen
Verletzungsanfälligkeit zum Spieler stand, ihn behielt, seinen Lohn
und die Pflegekosten zahlte. Sobald er eine verletzungsfreie Saison
absolviert hatte und endlich sein Potenzial ausschöpfte, äusserte
er den Wunsch zu wechseln. Arsenal stand vor dem Dilemma Van Persie
entweder an einen Rivalen zu verkaufen oder ihn ein Jahr später
Gratis ziehen lassen zu müssen. Als er bei Manchester United
unterschrieb und in einem Interview folgendes Statement äusserte:
„Der kleine Junge in mir wollte schon immer zu einem Verein wie
Manchester United wechseln.“ war dies ein Schlag ins Gesicht für
die Arsenal Fans, die ihm über Jahre die Treue hielten.
Auch Luis Suarez liess diesen Sommer
verschieden Gründe für einen Wechsel verlauten und flirtete offen
mit einem Transfer zu Arsenal. Die bitteren Gefühle, die die Arsenal
Fans ein Jahr vorher fühlten, als sie am anderen Ende der Schlange
standen, waren wie fortgeblasen und es interessierte sie nicht, dass
nun dasselbe mit Liverpool passieren könnte wie ein Jahr vorher mit
ihnen. Die Doppelmoral und die Heuchelei im Fussball sind
allgegenwärtig und jeder Fan kennt das Gefühl, wenn der geliebte
Spieler, der vor einigen Wochen noch das Wappen auf der Brust küsste,
nun plötzlich in der Auswärtsmannschaft aufläuft und mit den
gegnerischen Fans jubelt. Als würde man seinen Partner beim
Fremdgehen erwischen.
Doch sind diese Gefühle richtig so?
Sollten wir uns nicht an solches Gewöhnen und die Spieler als
Söldner betrachten? Natürlich wäre das einfacher, doch jeder der
eine Mannschaft mit Herzblut verfolgt wird immer die Spieler lieben
und vergöttern.
Für Trainer allerdings sieht die Sache
ganz anders aus. Da kennen weder Fans noch Vereine Loyalität. Sobald
es schlecht läuft muss der Trainer weg und ein neuer her. Sir Alex
Ferguson war wahrscheinlich der einzige Trainer der seinen Abgang
selber planen konnte. Selbst Arsène Wenger, der nunmehr seit 17
Jahren bei Arsenal die Fäden führt, und den Club zu einem der
finanziell gesündesten Vereine gemacht hat, wird immer wieder
aufgefordert zurückzutreten sobald Arsenal ein Spiel verliert oder
ein Spieler nicht verpflichtet werden kann. Der Mann der Arsenal die
Invincibles und den legendärsten Meistertitel aller Zeiten im
englischen Fussball gebracht hat, dessen Kopf soll rollen. Warum
protestieren Fans selten gegen solche Entlassungen? Schulden die
Verein nicht auch den Trainer eine faire Chance und ein bisschen
Loyalität? Ein bisschen mehr Zeit um die Ideen umzusetzen. Der
Fussball ist wahrscheinlich das kurzlebigste und schnellste Business
der Welt und die Summen, die auf dem Spiel stehen, sind enorm. Wenn
es also nicht läuft ist es einfacher einen Trainer zu entlassen als
ein Kader von 30 Spielern.
Können wir uns die Situation, in der
sich die Fussballer befinden, überhaupt nachvollziehen. Können wir
diese Wertevorstellungen, wie wir sie von Fussballern haben auch in
unseren Alltag übernehmen? Flucht ein Spieler auf dem Platz in die
Kamera, Wayne Rooney 2011, ist die Empörung gross, er muss sich vor
der ganzen Nation und Fussballwelt entschuldigen, wird gesperrt und
erhält eine Busse. In der Presse wird der Vorfall ausgeschlachtet
und die Rufe nach der „Vorbildfunktion“ der Spieler wird grösser.
Doch wer von uns hat noch nie im Büro oder auf der Baustelle
geflucht? Wer hat noch nie den Telefonhörer wütend aufgehängt und
über den Idioten am anderen Ende geschimpft? Wer hat noch nie über
die Bauleiter geflucht, die unmögliche Zeitvorgaben stellen? Mussten
auch wir uns vor allen anderen entschuldigen, eine Strafe zahlen und
dürfen einige Tage nicht mitarbeiten? Auch wenn wir eine neue Stelle
suchen oder einen weiteren Schritt in unserer beruflichen Karriere
vorwärts machen wollen, werfen wir die Moralvorstellungen, nach
denen wir Spieler bewerten, über den Haufen. Mich kümmert es nicht
eine Stelle zu künden und die Firma zu wechseln, wenn ich an einem
anderen Ort höhere Chancen auf einen Aufstieg habe, mehr Lohn
kassiere und mehr Ferien beziehen kann. Falls dies jedoch ein
Fussballer so direkt sagt wird er kritisiert. „Er spielt nur für
das Geld.“ und hatt keine Liebe für das schöne Spiel. Man kann
argumentieren, dass Fussball und das normale Berufsleben nicht
vergleichbar sind, aber wieso sollten sich Fussballer, an anderen
Ellen messen? Schlussendlich sind sie nur Menschen, denen wir gerne
bei Ihrer Arbeit zuschauen.
Einen erfrischenden Kontrast bietet
Benoît Assou-Ekotto von den Tottenham Hotspurs. Der Spieler hat in
diversen Interviews aussagen gemacht, dass er Fussball nur als Beruf
ausübt, es nur wegen des Geldes macht und sich, in seiner Freizeit,
eigentlich gar nicht für Fussball interessiert. Er kennt die neuen
Spieler jeweils nicht, die zu Tottenham wechseln, aber trotzdem ist
er bei den Fans sehr beliebt, da er ehrlich ist und seine wahren
Absichten nicht mit leeren Floskeln vertuscht.
Robbie Keane oder speziell Ibrahimovic
geben nach dem Wechsel stets die gleichen Floskeln von sich: „Es
war ein Kindsheitstraum von mir für diesen Verein zu spielen“ Wenn
man solche Aussagen in Pressetexten nach Wechsel zu LA Galaxy oder
PSG liest, kratzt man sich als Fussballfan am Kopf und fragt sich ob
die Spieler wirklich erwarten, dass wir so dumm sind und solche
Aussagen glauben. Natürlich ist es schön so etwas zu hören, wenn
es um den eigenen Verein geht, aber würde es nicht die Erwartungen
zurückschrauben wenn man ehrlich sagen würde: „Dieser Verein hat
mir viel Geld geboten hier zu spielen und ich wäre blöd wenn ich
das Angebot nicht annehmen würde“ Davon würde man sicher
profitieren, allerdings machen solche Geschichten den Fussball aus.
Über was könnten wir diskutieren an Spielfreien Tagen, wenn alle
ehrlich wären und immer das machen würden, dass sie auch sagen. Wir
würden einen grossen Teil, der den heutigen Fussball ausmacht,
verlieren. Ob dies gut oder schlecht ist, sollte sich jeder selber
überlegen.
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