Dienstag, 27. August 2013

Loyalität und das Transferfenster oder der alltägliche Wahnsinn im Fussball


Das alljährliche Transferfenster stopft das Sommerloch im Fussball für die Medien und die Fans. Während kein Fussball gespielt wird und die Vereine, mehr oder weniger, hinter verschlossenen Türen an einem neuen Kader feilen, ist die Gerüchteküche in vollem Gang und die Foren, Blogs und Fansites sind ein Austauschplatz für die verschiedensten Meinungen. Der riesige Apparat der Fussballindustrie verwandelt sich nachdem der letzte Ball gekickt wurde in ein merkwürdiges Perpetuum Mobile, das bis Ende des Transferfensters nicht aufzuhalten ist. Agenten, Clubs, Spieler selber und Familienangehörige spekulieren und streuen Gerüchte über Wechsel nur um eine Gehaltserhöhung, ein neuer Vertrag oder einen Transfer zu erwirken und die Medienlandschaft und die Fans spielen mit.

Immer öfters hört man seit einigen Jahren, dass Geld den Fussball regiert und keine Loyalität zum Verein mehr zu sehen ist. Doch war früher alles anders? War Fussball nicht schon immer ein Business in dem es vor allem um Geld ging? Und ist es in der „normalen“ Welt in der wir Leben nicht auch genau gleich?

Es ist wahr, dass in den letzten Jahren der Trend zur Aussage: „Ich will in der Champions League spielen.“ gestiegen ist. Die Zeiten sind vorbei in denen man versuchte die Ziele mit einem zusammengestellten Team zu erreichen. Die Spieler versuchen mit einer handvoll guten Spiele auf sich aufmerksam zu machen, damit sie sich einen Transfer zu einem Champions League Verein verdienen können. Die Zyniker unter den Fans sind sich einig. Der Spieler wechselt nur um mehr Geld zu verdienen, der Erfolg spielt generell die zweite Geige. Heutzutage ist es einfacher für einen Spieler zu einem starken Verein zu wechseln, als mit einem Underdog sich für die Champions League zu qualifizieren. Speziell in England brauchte es einen reichen Scheich und einen Oligarchen aus Russland um die Hierarchie der Top Four zu brechen.

Das Internet ist voll von aufgebrachten Anhängern diverser Vereine, die die Loyalität der heutigen Profifussballer kritisieren. Es ist schwierig zu sagen, ob die Modernisierung und das viele Geld den Wandel gebracht haben oder ob man die globalisierte Welt, in der das Streben nach Reichtum der wichtigste Bestandteil für ein glückliches Leben ist, dafür verantwortlich machen kann.


Es gibt unter den Spieler wenige Ausnahmen, One Club Legenden wie Steven Gerrard, Ryan Giggs, Paul Scholes, Francesco Totti, Gary Neville, Carragher und früher Spieler wie Pélé, Paolo Maldini, Tony Adams und Matt Le Tissier. Spieler die trotz Rückschlägen, nicht sofort den Club wechselten, sondern dem lokalen Verein treu bleiben. Diese Spieler gehören unbestritten in die Geschichtsbücher und werden innerhalb ihres Vereins wie Götter verehrt. Die Meinung der Zuschauer ist grundsätzlich, dass früher die Spieler loyaler waren, jedoch hat sich die Gestalt des Fussballs geändert und andere Werte bestimmen heute das Geschehen. Es gibt genug Beispiele für Spieler im modernen Fussball, für die Loyalität eine wichtige Rolle spielt, Beispiel Stefan El Shaarawy, aber es ist wichtig hier anzumerken, dass solche Spieler schon seit jeher eine Ausnahme und nicht die Norm waren. Grundsätzlich hängt es von den persönlichen Wertevorstellungen aller Spieler ab, wie sie sich entscheiden.

Aber auch Gegenteilig gibt es genug Beispiele. Spieler die gerne beim Verein geblieben wären, jedoch aufgrund von zu hohen Löhnen oder spielerischen Mängeln abgeschoben und gegen ihren Willen verkauft wurden. Zum Beispiel ein Stewart Downing oder Andy Carroll, die gerne bei Liverpool geblieben wären um sich zu beweisen, jedoch verkauft wurden. Oder ein Dimitar Berbatov, der teuerste Spieler den Manchester United bis zu diesem Zeitpunkt gekauft hat und dann nach ein paar Saisons, die er vor allem auf der Bank verbracht hat, an Fulham verkauft wurde, obwohl er einer der Top Scorer der Mannschaft war. Alessandro Del Piero ist eine der grössten Legenden bei Juventus, ging mit der alten Dame bis in die zweite Liga und trotzdem wurde er plötzlich als Überflüssig angesehen und abgeschoben als er älter wurde. Solche weitere zahllose Fälle gibt es und diese werden oft durch die Fans vergessen, wenn sie wieder proklamieren, dass ein Spieler einem Verein etwas schuldet.

Letzten Sommer und diesen Sommer haben vor allem Robin Van Persie, Luis Suarez und Gareth Bale für Gesprächsstoff mit ihren Transfers gesorgt. Van Persie wollte seinen Vertrag bei dem Verein nicht verlängern, der ihm die Chance gab in eine grosse Liga zu wechseln und trotz seiner grossen Verletzungsanfälligkeit zum Spieler stand, ihn behielt, seinen Lohn und die Pflegekosten zahlte. Sobald er eine verletzungsfreie Saison absolviert hatte und endlich sein Potenzial ausschöpfte, äusserte er den Wunsch zu wechseln. Arsenal stand vor dem Dilemma Van Persie entweder an einen Rivalen zu verkaufen oder ihn ein Jahr später Gratis ziehen lassen zu müssen. Als er bei Manchester United unterschrieb und in einem Interview folgendes Statement äusserte: „Der kleine Junge in mir wollte schon immer zu einem Verein wie Manchester United wechseln.“ war dies ein Schlag ins Gesicht für die Arsenal Fans, die ihm über Jahre die Treue hielten.

Auch Luis Suarez liess diesen Sommer verschieden Gründe für einen Wechsel verlauten und flirtete offen mit einem Transfer zu Arsenal. Die bitteren Gefühle, die die Arsenal Fans ein Jahr vorher fühlten, als sie am anderen Ende der Schlange standen, waren wie fortgeblasen und es interessierte sie nicht, dass nun dasselbe mit Liverpool passieren könnte wie ein Jahr vorher mit ihnen. Die Doppelmoral und die Heuchelei im Fussball sind allgegenwärtig und jeder Fan kennt das Gefühl, wenn der geliebte Spieler, der vor einigen Wochen noch das Wappen auf der Brust küsste, nun plötzlich in der Auswärtsmannschaft aufläuft und mit den gegnerischen Fans jubelt. Als würde man seinen Partner beim Fremdgehen erwischen.

Doch sind diese Gefühle richtig so? Sollten wir uns nicht an solches Gewöhnen und die Spieler als Söldner betrachten? Natürlich wäre das einfacher, doch jeder der eine Mannschaft mit Herzblut verfolgt wird immer die Spieler lieben und vergöttern.


Für Trainer allerdings sieht die Sache ganz anders aus. Da kennen weder Fans noch Vereine Loyalität. Sobald es schlecht läuft muss der Trainer weg und ein neuer her. Sir Alex Ferguson war wahrscheinlich der einzige Trainer der seinen Abgang selber planen konnte. Selbst Arsène Wenger, der nunmehr seit 17 Jahren bei Arsenal die Fäden führt, und den Club zu einem der finanziell gesündesten Vereine gemacht hat, wird immer wieder aufgefordert zurückzutreten sobald Arsenal ein Spiel verliert oder ein Spieler nicht verpflichtet werden kann. Der Mann der Arsenal die Invincibles und den legendärsten Meistertitel aller Zeiten im englischen Fussball gebracht hat, dessen Kopf soll rollen. Warum protestieren Fans selten gegen solche Entlassungen? Schulden die Verein nicht auch den Trainer eine faire Chance und ein bisschen Loyalität? Ein bisschen mehr Zeit um die Ideen umzusetzen. Der Fussball ist wahrscheinlich das kurzlebigste und schnellste Business der Welt und die Summen, die auf dem Spiel stehen, sind enorm. Wenn es also nicht läuft ist es einfacher einen Trainer zu entlassen als ein Kader von 30 Spielern.

Können wir uns die Situation, in der sich die Fussballer befinden, überhaupt nachvollziehen. Können wir diese Wertevorstellungen, wie wir sie von Fussballern haben auch in unseren Alltag übernehmen? Flucht ein Spieler auf dem Platz in die Kamera, Wayne Rooney 2011, ist die Empörung gross, er muss sich vor der ganzen Nation und Fussballwelt entschuldigen, wird gesperrt und erhält eine Busse. In der Presse wird der Vorfall ausgeschlachtet und die Rufe nach der „Vorbildfunktion“ der Spieler wird grösser. Doch wer von uns hat noch nie im Büro oder auf der Baustelle geflucht? Wer hat noch nie den Telefonhörer wütend aufgehängt und über den Idioten am anderen Ende geschimpft? Wer hat noch nie über die Bauleiter geflucht, die unmögliche Zeitvorgaben stellen? Mussten auch wir uns vor allen anderen entschuldigen, eine Strafe zahlen und dürfen einige Tage nicht mitarbeiten? Auch wenn wir eine neue Stelle suchen oder einen weiteren Schritt in unserer beruflichen Karriere vorwärts machen wollen, werfen wir die Moralvorstellungen, nach denen wir Spieler bewerten, über den Haufen. Mich kümmert es nicht eine Stelle zu künden und die Firma zu wechseln, wenn ich an einem anderen Ort höhere Chancen auf einen Aufstieg habe, mehr Lohn kassiere und mehr Ferien beziehen kann. Falls dies jedoch ein Fussballer so direkt sagt wird er kritisiert. „Er spielt nur für das Geld.“ und hatt keine Liebe für das schöne Spiel. Man kann argumentieren, dass Fussball und das normale Berufsleben nicht vergleichbar sind, aber wieso sollten sich Fussballer, an anderen Ellen messen? Schlussendlich sind sie nur Menschen, denen wir gerne bei Ihrer Arbeit zuschauen.

Einen erfrischenden Kontrast bietet Benoît Assou-Ekotto von den Tottenham Hotspurs. Der Spieler hat in diversen Interviews aussagen gemacht, dass er Fussball nur als Beruf ausübt, es nur wegen des Geldes macht und sich, in seiner Freizeit, eigentlich gar nicht für Fussball interessiert. Er kennt die neuen Spieler jeweils nicht, die zu Tottenham wechseln, aber trotzdem ist er bei den Fans sehr beliebt, da er ehrlich ist und seine wahren Absichten nicht mit leeren Floskeln vertuscht.

Robbie Keane oder speziell Ibrahimovic geben nach dem Wechsel stets die gleichen Floskeln von sich: „Es war ein Kindsheitstraum von mir für diesen Verein zu spielen“ Wenn man solche Aussagen in Pressetexten nach Wechsel zu LA Galaxy oder PSG liest, kratzt man sich als Fussballfan am Kopf und fragt sich ob die Spieler wirklich erwarten, dass wir so dumm sind und solche Aussagen glauben. Natürlich ist es schön so etwas zu hören, wenn es um den eigenen Verein geht, aber würde es nicht die Erwartungen zurückschrauben wenn man ehrlich sagen würde: „Dieser Verein hat mir viel Geld geboten hier zu spielen und ich wäre blöd wenn ich das Angebot nicht annehmen würde“ Davon würde man sicher profitieren, allerdings machen solche Geschichten den Fussball aus. Über was könnten wir diskutieren an Spielfreien Tagen, wenn alle ehrlich wären und immer das machen würden, dass sie auch sagen. Wir würden einen grossen Teil, der den heutigen Fussball ausmacht, verlieren. Ob dies gut oder schlecht ist, sollte sich jeder selber überlegen.

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